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Eilantrag gegen Beschränkungen einer Kundgebung am 30. Mai 2020 in Lüneburg überwiegend erfolgreich

Das Verwaltungsgericht Lüneburg - 5. Kammer - hat mit Beschluss vom gestrigen Tage dem Eilantrag des Antragstellers für eine für den 30. Mai 2020 auf dem Lüneburger Marktplatz geplante Kundgebung unter dem Titel „Bezahlbarer inklusiver Wohnraum für alle - Freiräume verteidigen“ überwiegend stattgegeben (Az. des Gerichts 5 B 26/20).

Wie bereits aus der regionalen Medienberichterstattung bekannt, ist für Sonnabend, den 30. Mai 2020 eine Kundgebung hinsichtlich des Bauwagenplatzes „Unfug“ auf dem Lüneburger Marktplatz geplant.

Nachdem der Antragsteller bei der Hansestadt Lüneburg die vorgenannte Kundgebung angemeldet hatte, bestätigte die Stadt die Anmeldung, machte die angemeldete Versammlung aber von der Einhaltung mehrerer Auflagen zum Zweck der Verhütung und Bekämpfung des Corona-Virus abhängig und verfügte mehrere versammlungsrechtliche Beschränkungen. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht Lüneburg. Der Eilantrag hatte überwiegend Erfolg.

Die 5. Kammer hat dem Eilantrag zunächst insoweit stattgegeben, als dem Antragsteller die Nutzung eines Bauwagens untersagt worden ist, die genaue Größe und das Material von Bannern und Fahnenstangen vorgegeben und das Erklettern von Bäumen untersagt worden ist. Diese versammlungsrechtlichen Beschränkungen könnten nicht auf § 8 Abs. 1 des Nds. Versammlungsgesetzes gestützt werden, da die Voraussetzungen der Norm (unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung) nicht vorliegen würden. Insbesondere sei das Aufstellen eines Bauwagens, wie vom Antragsteller beabsichtigt, für den konkreten Versammlungszweck notwendig, da aufgrund des Mottos der Versammlung offensichtlich insbesondere auf die Situation des Bauwagen-Wohnprojektes „Unfug“ in der Konrad-Adenauer-Straße in Lüneburg Bezug genommen werde, so dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem von dem Antragsteller vorgesehenen Bauwagen und dem Versammlungszweck bestehe. Es sei schon nicht ersichtlich, dass durch das Aufstellen eines Bauwagens auf dem Lüneburger Marktplatz als Ort der stehenden Versammlung ein von der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung umfasstes Rechtsgut verletzt wäre. Auch das Verbot des Erkletterns von Bäumen erweise sich als rechtswidrig, denn das Erklettern von Bäumen zum Spannen von Bannern sei grundsätzlich als eine dem Schutz der Versammlungsfreiheit unterfallende Protestform anzusehen. Zwar verstoße das Erklettern von Bäumen im konkreten Fall gegen die Verordnung der Hansestadt über die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung. Das Kletterverbot sei indes nicht verhältnismäßig, da die Stadt das bedeutsame Recht auf Versammlungsfreiheit des Antragstellers bei ihrer Entscheidung nicht hinreichend gewichtet habe.

Ferner hatte der Eilantrag Erfolg, soweit angeordnet wurde, dass die Kundgebung nicht öffentlich beworben werden dürfe (Werbeverbot) und dem Antragsteller aufgegeben wurde, die Kontaktdaten der Teilnehmer zu erfassen. Diese infektionsschutzrechtlichen Auflagen seien unverhältnismäßig. Das Werbeverbot sei nicht erforderlich, da es mildere Mittel zur Erreichung des von der Stadt beabsichtigten Zwecks (Vermeidung einer unkontrollierten Teilnehmerzahl) gebe. Möglich sei beispielsweise, dass die Zahl der Teilnehmer begrenzt werde. Die Auflage, die Kontaktdaten der Teilnehmer zu erfassen, sei rechtswidrig, da dadurch das Recht der Teilnehmer, anonym an einer Versammlung teilzunehmen, verletzt werde. Eine Verpflichtung zur Preisgabe der persönlichen Daten sei geeignet, potentielle Teilnehmer in besonderer Weise abzuschrecken. Derartige schon im Vorfeld der Versammlung einschränkende Maßnahmen bedürften der besonderen Rechtfertigung, welche mit Blick auf die aktuelle Lage der Corona-Pandemie in der Region Lüneburg nicht zu sehen sei.

Hinsichtlich der angeordneten Musik- und Lautstärkebeschränkung hatte der Eilantrag des Antragstellers dagegen keinen Erfolg. In dem von dem Antragsteller angegriffenen Teil der Regelung würden lediglich zeitlich festgelegte Musikpausen bestimmt. Dies stelle keinen ungerechtfertigten Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Soweit sich der Antragsteller im Übrigen dagegen wendet, dass er ein Abweichen des geplanten Versammlungsverlaufs vorher anzuzeigen habe oder aber mit der Polizei vor Ort abklären müsse, sei der Eilantrag ebenfalls erfolglos, da sich die inhaltliche Beschränkung einer Genehmigung auf das, was beantragt worden ist, von selbst ergebe.

Der Beschluss ist noch nicht rechtkräftig. Die Beteiligten können hiergegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einlegen.

Die Hansestadt Lüneburg hat mittlerweile gegenüber den Nutzern des Bauwagenplatzes „Unfug“ in Lüneburg Nutzungsuntersagungen erlassen und den sofortigen Vollzug angeordnet. Hiergegen sind mehrere Eilanträge beim Verwaltungsgericht Lüneburg anhängig (Az. 2 B 42/20 - 2 B 53/20), über die noch nicht entschieden wurde.


Artikel-Informationen

erstellt am:
29.05.2020

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