Speicherung in Polizeidatenbanken nur eingeschränkt zulässig
Der Kreistagsabgeordnete hielt sich im November 2006 in Pudripp auf, wo wegen des bevorstehenden Castortransportes eine Kreuzung mit Traktoren und Menschen blockiert war. Die Versammlung wurde aufgelöst, und von 315 Personen wurden Personalien aufgenommen. Das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Nötigung wurde im Hinblick auf den Kläger im April 2008 eingestellt. Trotz der Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungen blieb der Kreistagsabgeordnete in mehreren polizeilichen Datenbanken erfasst: Zunächst im System NIVADIS, in welchem nach Abschluss von Strafermittlungsverfahren die einmal gewonnenen Daten zum Zwecke der Vorgangsverwaltung weiter gespeichert bleiben. Sodann im System Castortransporte-ISAS, in welchem zur Vorbereitung der Castortransporte Vorgänge gesammelt werden aus offen zugänglichen Medien, aus versammlungsrechtlichen Aktionen, aber auch aus strafrechtlichen Vorgängen, dies dient präventiven Zwecken der Gefahrenabwehr. Schließlich waren die Daten gespeichert im System APS, dem „Auswertungsprogramm Polizeilicher Staatsschutz“, in dem politisch motivierte Strafermittlungsverfahren erfasst werden. Die personenbezogenen Daten des Klägers wurden schließlich an das bundesweite polizeiliche Informationssystem INPOL weitergegeben.
Der Kläger begehrte mit seiner Klage vor dem Verwaltungsgericht im Wesentlichen zunächst die Löschung der Daten. Nach Löschung der Daten im System INPOL und in den Systemen APS und ISAS (dies erst kurz vor der mündlichen Verhandlung) begehrte der Kläger die Feststellung, dass die Speicherung rechtswidrig war.
Die Kammer hat in ihrem Urteil vom 31. August 2010 festgestellt, dass die Aufnahme und die Speicherung der personenbezogenen Daten des Kreistagsabgeordneten in den Dateien Castortransport-ISAS und APS rechtswidrig war. Die Speicherung seiner Daten bis zur Löschung kurz vor der mündlichen Verhandlung hat über Jahre hinaus angedauert und den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht und in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung mehr als nur unerheblich beeinträchtigt. Der strafrechtliche Tatverdacht gegen den Kläger wegen der Vorfälle in Pudripp am 10. November 2006 war ausgeräumt, und eine konkrete fortbestehende erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist von ihm nicht ausgegangen. Dementsprechend durften seine Daten auch nicht an das bundesweite polizeiliche Informationssystem INPOL weitergegeben werden. Die Kammer hat weiter die Polizeidirektion verpflichtet, die über den Kläger in der Polizeidatei NIVADIS gespeicherten Daten zu löschen. Nach Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes müssen Anlass, Zweck und Umfang einer Datenspeicherung durch den Gesetzgeber präzise und normenklar geregelt werden. Die Möglichkeit einer „Vorgangsverwaltung“ - die mit NIVADIS bezweckt wird - wird durch das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht bestimmt und deutlich genug geregelt.
Wegen der besonderen grundsätzlichen Bedeutung hat die Kammer die Berufung zum Oberverwaltungsgericht zugelassen.