Verwaltungsgericht stoppt Neubau einer Elbbrücke bei Neu Darchau
Der Planfeststellungsbeschluss des Landkreises Lüneburg, mit dem der Neubau einer Elbbrücke bei Neu Darchau ermöglicht werden sollte, ist rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht in mehreren Urteilen vom heutigen Tage festgestellt. Die Klagen von Anwohnern, der Gemeinde Neu Darchau und des Landkreises Lüchow-Dannenberg, die sich gegen den Brückenneubau wehren, hatten daher im Wesentlichen Erfolg (Aktenz: 5 A 261/05 u.a.).
Nach der Wiedervereinigung kam ein Teil von Mecklenburg zurück nach Niedersachsen: Die Gemeinde Amt Neuhaus gehört seit 1993 wieder zum Landkreis Lüneburg. Der Verkehr über die Elbe wird im Bereich Neu Darchau durch eine Fähre sichergestellt. Diese verbindet die Kreisstraße 61 aus dem Gebiet der Gemeinde Amt Neuhaus mit der Landesstraße 232 bei Neu Darchau. Neu Darchau selbst und die Landesstraße liegen im Gebiet des Landkreises Lüchow-Dannenberg, der hier in einem spitzen Zipfel in das Gebiet des Landkreises Lüneburg hineinragt. Die Planung zum Bau einer Elbbrücke wurde 1996 von dem Landkreis Lüneburg begonnen. Das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr bestimmte im Oktober 2003 den Landkreis Lüneburg zur zuständigen Planfeststellungsbehörde. Im Dezember 2003 beantragte der Landkreis Lüneburg - Eigenbetrieb Straßenbau und Unterhaltung - die Durchführung des gesetzlich geforderten Planfeststellungsverfahrens gleichsam bei sich selbst. Die Träger öffentlicher Belange und die Naturschutzverbände wurden beteiligt und nach Auswertung der zahlreichen Einwendungen vor allem von Bürgern aus Neu Darchau erging am 3. Mai 2005 der Planfeststellungsbeschluss. In ihm wird dargelegt, dass die Elbbrücke deutliche Zeit- und Kostenvorteile für die Nutzer bringt, und Nachteile und Belastungen für die Bewohner vertretbar sind.
Die Kläger haben daraufhin Klage erhoben und rügen u.a.: Der Landkreis Lüneburg sei für die Planfeststellung nicht zuständig, die Zuständigkeitsbestimmung durch das Ministerium nichtig. Es bestehe keine Notwendigkeit für die Brücke. 30 Mio. Euro seien nicht zu finanzieren. Es werde gegen das Regionale Raumordnungsprogramm des Landkreises Lüchow-Dannenberg von 2004 verstoßen. Es sei falsch abgewogen worden, insbesondere seien Alternativen nicht zur Genüge geprüft worden. Es sei nur eine oberflächliche Prüfung der Belange der Bürger und des Naturschutzes durchgeführt worden, und die für die Brücke sprechenden Belange seien zu hoch gewichtet worden.
Das Verwaltungsgericht hat den Klagen im Wesentlichen stattgegeben. Es hat festgestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist. Denn durch ihn wird allein der Landkreis Lüneburg ermächtigt, die Brücke zu bauen. Dies ist fehlerhaft. Der Landkreis Lüneburg ist nicht der sachlich zuständige Straßenbaulastträger für die Errichtung der gesamten Brücke. Denn die Brücke steht zur Hälfte in der Baulast des Landes Niedersachsen. Der Straßenbau obliegt dem Straßenbaulastträger, und zur Straße gehören auch Brücken. Straßenbaulastträger für Kreisstraßen ist der Kreis, Straßenbaulastträger für Landesstraßen ist das Land. Die Brücke soll eine Kreisstraße mit einer Landesstraße verbinden, und die Brücke ist ein unselbständiger Bestandteil beider Straßen, die sich auf der Brücke treffen. Für die Kreisstraße 61, die in der Gemeinde Amt Neuhaus bis zur Elbe führt, ist der Landkreis Lüneburg zuständiger Straßenbaulastträger. Für die Landesstraße 232 ist jedoch nicht der Landkreis Lüneburg Straßenbaulastträger, sondern das Land Niedersachsen. Die Straßenbaulast des Landes Niedersachsen für den zur Elbe führenden Teil der Landesstraße 232 ist vom Landkreis Lüneburg auch nicht in öffentlich-rechtlich wirksamer Weise - etwa durch schriftliche Vereinbarung - übernommen worden. Insbesondere ist die Pflicht und das Recht des Landes, die Landesstraße zu bauen und zu unterhalten, nicht dadurch auf den Landkreis übergegangen, dass dieser vom Ministerium zur zuständigen Planfeststellungsbehörde bestimmt worden ist. Das Land hat auch keinen Antrag auf Durchführung des Planfeststellungsverfahrens gestellt. Damit ist der Landkreis Lüneburg nicht ermächtigt, den Teil der Brücke zu bauen, der als Verlängerung der Landesstraße in der Straßenbaulast des Landes liegt. Inhaltlich enthält der Planfeststellungsbeschluss keine Abwägungsmängel, die Einwendungen der Bürger sind fehlerfrei abgewogen worden, auch Alternativen zur Trassenführung sind ordnungsgemäß geprüft worden. Sonst liegen Gründe, die zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen, nicht vor. Da die Möglichkeit der Heilung des genannten Fehlers besteht, hat das Gericht den Planfeststellungsbeschluss nicht aufgehoben, sondern - lediglich - festgestellt, dass der Beschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist.
Gegen die Urteile hat das Gericht die Berufung zugelassen.