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Wahl des Samtgemeindebürgermeisters in Hollenstedt ist gültig


Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Lüneburg hat mit Urteil vom heutigen Tage der Klage des im September 2021 wiedergewählten Samtgemeindebürgermeisters stattgegeben, mit welcher sich dieser gegen die Ungültigkeitserklärung der Wahl durch den Rat der Samtgemeinde Hollenstedt zur Wehr setzte (1 A 6/22).

Die Klage richtete sich gegen den Rat der Samtgemeinde Hollenstedt, der die am 12. September 2021 durchgeführte Samtgemeindebürgermeisterwahl auf einen Wahleinspruch des Beigeladenen für ungültig erklärt hatte. Bei der Wahl wurden insgesamt 6.129 gültige Stimmen abgegeben, von denen 3.116 auf den Kläger und 3.013 auf seine Gegenkandidatin entfielen. Der Beigeladene erhob im Nachgang zur Wahl einen Wahleinspruch, den er u.a. damit begründete, dass der Kläger unbeobachteten Zugriff auf die Wahlunterlagen gehabt haben soll, indem er am Samstag vor der Wahl den Briefkasten des Rathauses, in welchem sich auch Wahlbriefe befunden hätten, geleert habe. Zudem sei der Schlüssel für den EDV-Raum, in welchem die Wahlbriefe gelagert hätten, für den Kläger zugänglich gewesen. Außerdem sei der Kläger am Wahltag in den Wahllokalen anwesend gewesen und habe Süßigkeiten und Blumen an die Wahlhelfer verteilt und Wahlbriefe entgegengenommen. Infolge dieses Wahleinspruchs erklärte der Rat der Samtgemeinde die Samtgemeindebürgermeisterwahl vom 12. September 2021 am 29. Dezember 2021 für ungültig.

Die 1. Kammer ist nach Durchführung der mündlichen Verhandlung am heutigen Tage der Rechtsauffassung des Rates der Samtgemeinde nicht gefolgt und hat die Wahlprüfungsentscheidung aufgehoben. Der Wahleinspruch des Beigeladenen sei nicht begründet. Ein Wahleinspruch sei nach § 46 Abs. 1 Satz 2 NKWG begründet, wenn die Wahl nicht den Vorschriften des NKWG oder der NKWO entsprechend vorbereitet oder durchgeführt oder in unzulässiger Weise in ihrem Ergebnis beeinflusst worden ist. Dies sei im konkreten Fall nicht feststellbar. Die Zugriffsmöglichkeiten auf die Wahlbriefe durch Leerung des Briefkastens, wegen der Möglichkeit des Zugangs zu dem EDV-Raum, in welchem die Wahlunterlagen gelagert worden seien, und durch die Mitnahme der Wahlbriefe am Tag der Wahl, stellten keine Verstöße gegen Vorschriften des NKWG oder der NKWO dar. So bestimme u.a. § 53 Abs. 5 Satz 3 NKWO, dass die Samtgemeinde den Wahlbrief entgegennehme, sofern die Briefwahl vor dem Wahltag vor Ort bei der Samtgemeinde persönlich ausgeübt werde. Der Personenkreis innerhalb der Gemeindeverwaltung, der die Bestimmungen dieser Vorschriften ausführe, sei gesetzlich nicht begrenzt. Auch die Lagerung der Wahlbriefe in dem EDV-Raum sei nicht zu beanstanden. Soweit § 59 Abs. 1 Satz 1 NKWO bestimme, dass die Gemeindewahlleitung die Wahlbriefe ungeöffnet sammle und unter Verschluss halte, sei dem Erfordernis vorliegend Genüge getan worden. Der geforderte Verschluss sei insbesondere als Verschluss gegenüber nicht zur Samtgemeindeverwaltung gehörenden Personen zu verstehen. Soweit der Kläger Wahlbriefe am Wahltag entgegengenommen habe, habe er als eine Art Bote des Wählers gedient; ein Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften sei hierin nicht zu erblicken. Es gebe keine Hinweise darauf, dass der Kläger durch die Zugriffsmöglichkeiten auf die Briefwahlunterlagen das Wahlergebnis in unzulässiger Weise beeinflusst habe. Insbesondere weise die Rücklaufquote der versandten Briefwahlunterlagen mit 90,19% keinen auffälligen Wert auf. Dass der Kläger am Wahltag Süßigkeiten und Blumen an Wahlhelfer verteilt habe, stelle ebenfalls keinen Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften und auch keine unzulässige Beeinflussung des Wahlergebnisses dar. Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass der persönliche Dank bei den Wahlhelfern die anwesenden Wähler zu einer spontanen Stimmabgabe zugunsten des Klägers bewegt haben könnte. Die Kammer führte weiter aus, dass die Klage gegen die Wahlprüfungsentscheidung selbst dann erfolgreich wäre, wenn man den Wahleinspruch für begründet erachten sollte, da ein etwaiger Rechtsverstoß das Wahlergebnis nicht wesentlich beeinflusst habe. Zwar sei der Stimmenunterschied von lediglich 103 Stimmen gering. Es hätte indes einiges Aufwandes seitens des Klägers bedurft, hierauf Einfluss zu nehmen, zumal er vor der Auszählung nicht habe wissen können, mit welchem Stimmenabstand sich die Wahl entscheiden werde. Zudem habe sich gezeigt, dass der prozentuale Stimmenunterschied bei den Briefwahlstimmen geringer sei als bei der Urnenwahl, obwohl bei einer Verfälschung der Briefwahl zu erwarten gewesen wäre, dass der Kläger in einem auffälligen Verhältnis zur Urnenwahl dort mehr Stimmen erhalten haben müsste. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Der Beklagte und der Beigeladene können innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht die Zulassung der Berufung beantragen.


§ 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 NKWG lauten:

Wahleinspruch

(1) Gegen die Gültigkeit einer Wahl nach § 1 Abs. 1 kann Einspruch erhoben werden (Wahleinspruch). Der Wahleinspruch kann nur damit begründet werden, dass die Wahl nicht den Vorschriften dieses Gesetzes oder der Verordnung nach § 53 Abs. 1 oder 3 entsprechend vorbereitet oder durchgeführt oder in unzulässiger Weise in ihrem Ergebnis beeinflusst worden ist. [...]


§ 48 Abs. 1 NKWG lautet:

Inhalt der Wahlprüfungsentscheidung

(1) Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen, wenn er 1. unzulässig oder zulässig, aber unbegründet ist oder 2. zwar zulässig und begründet ist, aber der Rechtsverstoß auch im Zusammenhang mit anderen Rechtsverstößen das Wahlergebnis nicht oder nur unwesentlich beeinflusst hat. [...]

Artikel-Informationen

erstellt am:
19.10.2022

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